Gertraud Oberreiter
|
Geboren: 11. Juni 1924
Deportiert: 23. Mai 1941 nach Hartheim, wo sie ermordet wurde Im Sterbebuch der Pfarre St. Johann/Pg. scheint eine Gertraud Margarethe Oberreiter als am 14. Juni 1941, im Alter von 17 Jahren an Lungenentzündung verstorben auf. Die diesbezügliche Mitteilung machte das sogenannte ‚Standesamt Hartheim‘. Die Beisetzung der Urne mit der Asche der Toten erfolgte am 26. Juni 1941 auf dem Friedhof von St. Johann im Pongau, damals „Markt Pongau“ genannt. Es entspricht den Tatsachen,
Gertraud wurde am 11. Juni 1924 in St. Johann im Pongau ehelich geboren. Aus uns nicht bekannten Gründen war Gertraud zum Zeitpunkt ihres Schuleintrittsalters geistig beeinträchtigt. Gertraud konnte daher in der Regelschule nicht bestehen und wurde am 3. November 1930 in der Caritasanstalt St. Anton, damals eine „Anstalt für schwachsinnige Kinder“ in Bruck im Pinzgau, heute Bruck an der Großglocknerstraße, untergebracht. Aus nicht bekannten Gründen kam sie aber bereits am 23. November desselben Jahres zurück zu ihren Eltern. Unbekannt ist, wo Gertraud die folgenden Jahre verbracht hat und wann und auf wessen Veranlassung das Mädchen in der Pflegeanstalt im Kloster Mariathal bei Kramsach in Tirol untergebracht wurde. Diese Pflegeanstalt wurde nach der 1938 erfolgten Machtübernahme der Nationalsozialisten auf behördliche Veranlassung eingerichtet, nachdem die dort vom Orden der „Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul“ geführte Volksschule für verwaiste Mädchen zwangsweise geschlossen worden war. Gezielt wurden danach in Mariathal Menschen „konzentriert“, die nach nationalsozialistischer Doktrin als >lebensunwert< galten und deren Vernichtung bereits geplant war. Am 25. Mai 1941 wurde Gertraud gemeinsam mit 60 anderen Kindern und Jugendlichen aus der Pflegeanstalt Mariathal abgeholt. Man fuhr die Pfleglinge in zwei Bussen mit verhängten Fenstern entweder aus Kapazitätsgründen vorerst in die Zwischenanstalt Niedernhart bei Linz, später als Landesnervenklinik Wagner-Jauregg bezeichnet, um sie wenige Stunden oder ein, zwei Tage später nach Hartheim in Alkoven bei Linz zu überstellen. Oder man transportierte sie direkt von Mariathal in die Tötungsanstalt Hartheim. In Hartheim wurden die gewaltsam Angekarrten in der Regel nach wenigen Stunden vergast. Zur Täuschung der Angehörigen richtete man das bereits erwähnte Standesamt Hartheim ein. Es hatte die Aufgabe, für die in Hartheim Ermordeten ein fiktives Todesdatum und eine fiktive Todesursache zu erfinden und diese den Angehörigen mitzuteilen. Auf Wunsch bekamen die Anverwandten die Urne mit der Asche der Verstorbenen auf eigene Kosten zugesandt. Es versteht sich von selbst, dass der Inhalt der Urne – wie auch Todesdatum und Todesursache – gefaked war, wie man heute sagen würde. Wir gedenken hier einer jungen Frau, die gewaltsam zu Tode gekommen ist. Sie hieß Gertraud Margarethe Oberreiter und wurde 1924 hier geboren. Sie war eine Bürgerin dieser Stadt. Auf Veranlassung des diktatorischen, rassistischen und menschenverachtenden NS-Regimes wurde Gertraud als "unwertes Leben" eingestuft und 1941 in der Euthanasie-Tötungsanstalt Hartheim ermordet. Ihre Familie wurde über ihr Schicksal mutwillig getäuscht. Selbst ihre sterblichen Überreste wurden schamlos gefälscht. Gertraud Oberreiter wäre wenige Tage nach ihrem gewaltsamen Tod 17 Jahre alt geworden. Hier und heute gedenken wir ihrer mit ihrer wahren Geschichte und mit ihrem echten Namen auf diesem Stolperstein. Christina Nöbauer, Patin |
Quellen:
Archiv der Erzdiözese Salzburg
Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim
Nöbauer, Christina: „Opfer der Zeit“ | Über das Schicksal ehemaliger BewohnerInnen der Caritas-Anstalt St. Anton in der Zeit des Nationalsozialismus, StudienVerlag 2016
Archiv der Erzdiözese Salzburg
Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim
Nöbauer, Christina: „Opfer der Zeit“ | Über das Schicksal ehemaliger BewohnerInnen der Caritas-Anstalt St. Anton in der Zeit des Nationalsozialismus, StudienVerlag 2016