Stalag
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Dieser September 1939 war mit dem Überfall der Deutschen Wehrmacht auf Polen zugleich der Beginn des 2. Weltkrieges.
Im Jahr 1941 wurde in St. Johann mit dem Bau eines Kriegsgefangenenlagers für ca. 10.000 Soldaten begonnen. Das Lager wurde von einheimischen Handwerksbetrieben gemeinsam mit den ersten französischen Gefangenen, die noch in der Volksschule untergebracht waren, errichtet. Entgegen der Planung war das Lager bereits Ende dieses Jahres 1941 mit 20.000 Gefangenen überbelegt. Dies war ein Mehrfaches der damaligen Ortsbevölkerung. Der Überbelag dauerte bis Kriegsende an. Die französischen Kriegsgefangenen Die stärkste Gruppe der Kriegsgefangenen bildeten während des gesamten Krieges die Franzosen mit knapp 10.000 Mann. Aber auch Gefangene aus England, Belgien, Serbien, Italien und den Niederlanden waren hier im Lager. Die Kriegsgefangenen der sogenannten westalliierten Mächte waren im Südlager untergebracht, zwischen der Stadtbrücke und dem Bahnhof. Sie wurden halbwegs gut ernährt, entsprechend der Genfer Konvention behandelt und arbeiteten außerhalb des Lagers auf verschiedenen Baustellen im ganzen Land Salzburg, u. a. haben sie die Staatsbrücke in Salzburg errichtet. Die Gefangenen wurden auch auf der Baustelle des Kraftwerkes Kaprun und in Industriebetrieben Tirols eingesetzt. Die Franzosen konnten während ihrer Gefangenschaft auch ihren religiösen und kulturellen Bedürfnissen nachkommen. Davon zeugt auch eine Monstranz, die französische Kriegsgefangene aus primitivem Dosenblech fertigten und heute im Pfarrhaus aufbewahrt wird. Es gab sogar ein französisches Theater im Lager, eine Bibliothek, eine Musikkapelle. Auch Filme wurden gezeigt und eine französischsprachige Zeitung wurde gedruckt. Von den 10.000 französischen Gefangenen sind während der Zeit von Juli 1941 bis zum Kriegsende im Mai 1945 15 Personen gestorben. Das war die eine Seite der Medaille des Stalag "Markt Pongau". Die andere Seite des Stalags finden wir bei den russischen Gefangenen. Die sowjetischen Kriegsgefangenen Im Norden, zwischen der Salzach und der Eisenbahn, zwischen dem Rainerbauern und dem Bahnübergang, wo sich jetzt die Industriebetriebe befinden, erstreckte sich das sogenannte "Russenlager". In diesem Lagerteil wurden jene Gefangene interniert, die nach der nationalsozialistischen Rassenhierarchie als Vertreter minderwertiger slawischer Völker galten. Russen und Ukrainer, also die Soldaten der Roten Armee. Im November 1941 kamen die ersten Transporte von der Ostfront am Bahnhof in St. Johann an. Als die Türen der Viehwaggons geöffnet wurden, fielen die Toten heraus, die den tage-, manchmal wochenlangen Transport von der Front im Osten Europas in die Alpen nicht überlebt hatten. Die sowjetischen Gefangenen wurden in die viel zu kleinen Baracken gepfercht, teilweise trotz des kalten Winters in Zelten untergebracht. Sie wurden schlecht ernährt, Typhus brach aus. Täglich brachte ein Pferdefuhrwerk die nur mäßig abgedeckten Leichen zum Ortsfriedhof am Feld neben der Pfarrkirche. Von den 2.700 sowjetischen Gefangenen des Dezember 1941 lebten im Sommer 1942 nur mehr 500. Weil der Ortsfriedhof die vielen Toten nicht mehr aufnehmen konnte, wurde 1942 auf dem Grund des Altachbauern ein Massengrab errichtet. Über 3.600 meist junge Menschen sind dort bestattet. Reisende, die während des Krieges mit der Bahn am Lagergelände vorbeifuhren und Einheimische berichten, dass es im Russenlager keinen Grashalm mehr gab, dass die Gefangenen aus Hunger Gras und Wurzeln aßen und Wasser aus der Salzach tranken. Aber es gab auch eine andere Seite: Mancher St. Johanner und manche St. Johannerin steckten den elenden Gefangenen eine Kartoffel oder eine Schnitte Brot zu, obwohl dies streng verboten war. Das Sterben der russischen Gefangenen wurde erst gebremst, als sie ab 1943 auch zu Arbeiten herangezogen wurden und deshalb ernährt werden mussten. Im gesamten Gebiet des Deutschen Reiches haben geschätzte 3,3 Millionen sowjetische Kriegsgefangene die Gefangenschaft nicht überlebt, das sind 57 % der Gesamtzahl aller sowjetischen Gefangenen. Man würde denken, dass diejenigen Soldaten, welche den Krieg, die Transporte und dieses Todeslager überlebten, nach ihrer Rückkehr in ihre Heimat, die Sowjetunion, als Helden empfangen worden sind. Weit gefehlt. Dem war nicht so. Die Heimkehrer wurden verdächtigt, in Deutschland als Spione ausgebildet worden zu sein und wurden zu einem Teil wiederum interniert, nämlich in sogenannte „Filtrierungslager“ des GULAG-Systems der kommunistischen Sowjetunion. In ihre Personaldokumente wurde ein eigener Stempel eingebracht und die rückkehrenden Kriegsgefangenen sind über Jahrzehnte in vielen Lebensbereichen benachteiligt worden. Erst Präsident Jelzin stellte im Jahr 1995 die Rückkehrer mit den anderen Staatsbürgern gleich. 15 Kriegstote aus Frankreich, 3.744 Kriegstote aus der Sowjetunion. Nun stellt sich also die Frage, warum wurden diese russischen Gefangenen so vernachlässigt und durch Hunger umgebracht? Dieses Lager war ja nicht im Verwaltungsbereich der SS, wie die Konzentrationslager, sondern wurde von der Wehrmacht verwaltet und von Wehrmachtssoldaten bewacht, die hier in der heutigen Krobatinkaserne stationiert waren. Ist es nicht, jenseits aller rechtlichen Vorschriften, ein ungeschriebenes Gesetz unter Soldaten, dass ein gefangener gegnerischer Soldat auch als „Kamerad“ zu behandeln ist? Die slawischen Gefangenen wurden eben nicht als „Kameraden“ behandelt. Und so heißt auch das wichtigste Werk zu diesem Thema: „Keine Kameraden“. Auch die Wehrmacht hatte sich im Krieg den rassenpolitischen Vorgaben der Nationalsozialisten gebeugt und sich im Ostkrieg, im Krieg am Balkan und eben auch bei der gezielten Dezimierung der sowjetischen Kriegsgefangenen an den nationalsozialistischen Verbrechen beteiligt. Bis heute wissen viele Angehörige in Russland und der Ukraine nicht, wo ihre Lieben umgekommen und begraben sind. Seit der Archivöffnung unter Präsident Gorbatschov sind bisher knapp 1.200 Namen von Toten, die hier in St. Johann beerdigt wurden, aus Moskauer Archiven recherchiert. Im Gästebuch am Russenfriedhof sehen wir immer mehr russischsprachige Eintragungen. |