Johann (Hansi) Thaler
Sterbeurkunde von
Hansi Thaler |
Geboren: 12. Juni 1937 in St. Johann/Pg.
Eltern: Johann und Katharina Thaler Eingewiesen in die Klinik: 25. August 1942 Aufnahmeuntersuchung: 29. August 1942, durch Dr. Heinrich Gross Verstorben: 9. September 1942, um 13:15 Uhr Todesursachen: Taubstummheit, Schwachsinn, Lungenentzündung Hansi Thaler erkrankte mit 1½ Jahren an Gehirnhaut- und Rippenfellentzündung. Es grenzte an ein Wunder, dass er überlebte, gab es doch damals kein Penicillin oder Antibiotika. Allerdings blieb die schwere Erkrankung nicht ohne Folgen: Er verlor seinen Gehörsinn und hatte Gleichgewichtsstörungen. Wegen des fehlenden Gehörsinns verlangsamte sich seine geistige Entwicklung, er bedurfte einer besonderen Pflege. Auf Grund der Aktion T4 (benannt nach der Tiergartenstraße 4 in Berlin) wurden die Reichsstatthalter und Gaufürsorgeämter aufgefordert, behinderte Menschen zu melden. Daraufhin wurde vom Gaufürsorgeamt der Antrag auf Anstaltspflege für Hansi Thaler gestellt. Hansi wurde am 25. August 1942 durch einen Transport nach Wien in die Heilpädagogische Anstalt am Spiegelgrund gebracht. Die Mutter konnte nicht mitfahren, da sie das 9 Monate alte Kind Walter zu versorgen hatte. Hansi wurde am Spiegelgrund im Pavillon 15 im Parterre untergebracht. Die Erstuntersuchung wurde von Dr. Heinrich Gross durchgeführt, der Folgendes feststellte: Körperlich für sein Alter annähernd normal entwickelter Knabe in verhältnismäßig gutem Ernährungszustand … Kind hört nichts … während der Untersuchung ist das Kind sehr raunzig, es lässt sich kein Kontakt mit ihm herstellen … nimmt keinerlei Anteil an den Vorgängen in seiner Umgebung … In der Folge wird Hansi, da er ständig am Boden herumrutscht, in einem Gitterbett aufbewahrt. Auf Grund der Krankengeschichte lässt sich feststellen, dass Hansi an keinerlei akuter Krankheit litt, da seine Fieberkurve ständig Werte unter 37 Grad aufwies. Am 7. September verschlechterte sich sein Gesundheitszustand laut Krankenbefund rapide. Es ist davon auszugehen, dass dem Kind keine Nahrung und keine Flüssigkeit verabreicht wurde, dass er stattdessen mit Luminal, das die Lungenfunktion herabsetzt, gespritzt wurde. Am 9. September verstarb Hansi um 13:15 Uhr. Als Todesursachen wurden in der Sterbeurkunde angeführt: Taubstummheit, Schwachsinn, Lungenentzündung (am Todestag wies seine Fieberkurve 37,4 Grad auf). Am Todestag traf in der Klinik ein Schreiben des Vaters ein, der sich von der Russlandfront hatte beurlauben lassen: An die Direktion der Heilpädagogischen Klinik am Spiegelgrund. Indem ich mich gerade auf Urlaub befinde, will ich mich umgehend erkundigen über mein Kind Hansi Thaler, welches am 25. August 1942 in ihrer Anstalt abgegeben wurde. Wollen Sie mir bitte raschestens Bescheid zugehen lassen, wie sich das Kind verhält. Wir sind sehr besorgt um Hansi, da ihm die momentane Umstellung sicher sehr schwer fallen wird. Wollen Sie entschuldigen, dass wir jetzt schon Erkundigung einholen, aber Sie verstehen, dass wir auch mehr beruhigend leben, wenn wir den ersten Bescheid erhalten und ich in Kürze wieder an die Front abgehe, ist es für mich auch gut, wenn ich darüber Näheres erfahren kann. Also bitte berichten Sie mir bald ausführlich sein Verhalten und was wir für ihn tun können. Wir sind uns ja sicher, dass ihm in der Pflege nichts abgehen wird, wenn er auch viel zu schaffen macht. Es grüßen Sie herzlich die Eltern. Gedenke bis längstens 15.9. den Bescheid erhalten zu können. Der Leichnam des Kindes wurde den Eltern in einem Sarg zugeschickt und am Friedhof in St. Johann im Pongau beigesetzt. In der Klinik am Spiegelgrund wurden zwischen 1941 und Juni 1945 (also auch nach dem Ende der NS-Herrschaft) 789 Kinder ermordet. Erst Ende der neunziger Jahre wurde bekannt, dass der Anstaltsarzt Dr. Heinrich Gross, der als meistbeschäftigter Gutachter weiterhin seine ärztliche Tätigkeit ausüben durfte, den getöteten Kindern die Gehirne entnommen und in Reagenzgläsern im Keller der Heilanstalt zu Forschungszwecken aufbewahrt und verwendet hatte.
Erst im Jahre 2002 wurden die Gehirne der 789 getöteten Kinder in einem Ehrengrab des Kommunalfriedhofes Wien in Anwesenheit des Bundespräsidenten und zahlreicher MinisterInnen beigesetzt. Am 3. Juli 2014 wurde in St. Johann im Pongau vor dem Wohnhaus der Familie Thaler, Hauptstraße 4, dem Geburtshaus Hansis, auf Initiative seines Bruders Walter Thaler und der Geschichtswerkstatt St. Johann im Pongau vom Künstler Gunter Demnig ein Stolperstein zur Erinnerung an das Euthanasieopfer Hansi Thaler verlegt. Walter Thaler, Bruder |